Zu den neuesten Mediengattungen, mit denen sich die Wissenschaft auseinandersetzt, gehören die Computerdemos. Das sind Programme, die keinen anderen Zweck verfolgen, als audiovisuelle Ausgaben zu generieren, welche dem Betrachter die Möglichkeiten des Mediums Computer vorführen. Dass diese Ausgaben ebenso ganz wesentlich von den Kenntnissen und Fertigkeiten der Künstler (hier der Demo-Programmierer) abhängen, ist – wie bei jeder anderen Kunstgattung – evident. Aber Computerdemos sind noch mehr als nur eine neue Form – sie sind auch historische und epistemische Objekte, mit denen ein individueller Zugang zu den Möglichkeiten und Grenzen des Computersermöglicht wurde und immer noch wird. Anlässlich des 50. Geburtstags der "Mother of all Demos", in der Douglas Engelbart 1968 seine grafische Nutzeroberfläche live einem breiten Publikum vorstellte, soll das Thema Computerdemos im Rahmen des VCFB in fünf Vorträgen von Medienwissenschaftlern, Computerhistorikern, Kunstsoziologen und Demoentwicklern eingehender diskutiert werden.
Die Tagung findet im Rahmen des VCFB 2018 im Deutschen Technikmuseum statt. Der Eintritt ist frei!
Zeit: Sonntag, 14. Oktober 2018, 10:15 - 17:00 Uhr
Ort: Deutsches Technikmuseum, Historische Ladestraße, Zugang über Möckernstr. 26, 10963 Berlin (Rückseite der "Netze"-Ausstellung)
Sonntag, 14. Oktober | |
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Uhrzeit | Vorträge |
10:15 - 10:30 | Eröffnung und Begrüßung Dr. Stefan Höltgen |
10:30 - 11:30 | Maschinensprache. Die Demonstration als technischer (Selbst-)Ausdruck und methodisches Instrument Dr. Stefan Höltgen |
11:30 - 12:30 | Unvorhersehbarkeit als technische und ästhetische Strategie in "Waves 3 Ways" Dr. Nikita Braguinski |
12:30 - 13:30 | Mittagspause |
13:30 - 14:30 | DEMOAGE im Kontext der Digitalen Geisteswissenschaften Canan Hastik |
14:30 - 15:30 | Der Boing-Ball auf der Hebebühne – Funktionsweise der originalen "Boing!"-Demo auf dem Amiga Kai Scherrer |
15:30 - 16:00 | Kaffeepause |
16:00 - 17:00 | Computerdemos: Eine Entstehungsgeschichte und die Szene heute Sven Oliver Moll |
Computerdemonstrationen sollen nicht nur die Programmierfertigkeiten der Entwickler vorführen, sondern vor allem auch die technischen Fähigkeiten des programmierten Systems. Schon früh haben sich die Demoszenen deshalb den Kodex gegeben, dass derartige Demos in Echtzeit ablaufen müssen, die audio-visuellen Ausgaben des Systems also zur Laufzeit erst generiert werden dürfen. Fertig gerenderte Grafiken und gesampelte Musikstücke schließt diese Vorgabe ebenso aus, wie lediglich als Videofilm vorgeführte Demos. Eine Demo muss "live" sein, im auratischen wie im technischen Sinne. Die Gründe hierfür sind ästhetischer, aber vor allem auch epistemoloigscher Natur: Computer werden erst zu Computern, wenn sie "komputieren". Das englische Wort "computing" als "present progressiv" (ablaufende Gegenwart) kennzeichnet damit ein konstitutives Element von Medientechnik – erst in Operation sind sie im Medienzustand; vorher sind sie lediglich Hardware. Mein Vortrag möchte diesen Gedanken weiter ausformulieren und anhand der Computerdemo zeigen, dass man über Computer gar nicht angemessen sprechen kann, wenn man sie nicht auch für sich selbst sprechen lässt. Dr. Stefan Höltgen (Berlin)
Die 2014 von Nick Montfort und Bernie Innocenti auf der Demoparty "@PARTY" vorgestellte Demo "Waves 3 Ways (Topsy's Revenge)" ist ein Beispiel für den künstlerischen Umgang mit dem Phänomen der technisch erzeugten Unvorhersehbarkeit. Der von dem Programm generierte Strom an Zeichen, Tönen und im Original auch elektrischen Funken eines Tesla-Transformators verstört und fasziniert den Betrachter durch sein ständiges Oszillieren zwischen Ordnung und Unordnung, zwischen Poesie und Zeichenwirrwarr, zwischen Ton und Geräusch. Während die Demo am Anfang unvermittelt mit einem geräuschhaften Fortissimo einsetzt, vermischen sich später einfache, quasi improvisierte Tonfolgen mit trompetenartigen Haltetönen. Sowohl der Klang, als auch der Text dieser rein zeichenbasierten, in der Konsole ausgeführten Demo werden algorithmisch generiert und stellen verschiedene Repräsentationsformen derselben Daten dar. Die durch Zitate aus der Dichtkunst und durch den Titel hergestellten Querbezüge bereichern die Interpretationsbandbreite von "Waves 3 Ways" zusätzlich und verleihen dem Werk eine für die Demoszene ungewöhnlich morbide Aura: Topsy war ein Zirkuselefant, der 1903 durch elektrischen Strom getötet wurde. Dr. Nikita Braguinski (Berlin)
Die Demoszene ist eine stark kontextualisierte digitale subkulturelle Bewegung. Ihre spezifischen Interessen, gepaart mit einer enormen Ausdrucksvarianz, liefern wertvolles historisches, kulturelles, soziales, räumliches und ästhetisches Wissen und bieten somit multidisziplinäre Forschungsmöglichkeiten. Der Bereich Digital Humanities (DH) befasst sich mit allen Aspekten der menschlichen Kultur und zielt darauf ab, kulturelle Phänomene im Detail zu bewahren, zu beschreiben und zu analysieren. Ein Schwerpunkt ist die Entwicklung neuer digitaler Methoden und Werkzeuge zur Unterstützung der Wissensgenerierung. In diesem Beitrag werden Forschungsergebnisse exemplifiziert und ein Modell vorgeschlagen, das multidisziplinäre kooperative Forschung von digitalen subkulturellen Phänomenen im Kontext der digitalen Geisteswissenschaften weiter vorantreiben soll. Canan Hastik (Darmstadt)
Eine der ikonischsten Demos ist die "Boing!"-Demo, die zur Zeit ihrer Veröffentlichung für viel Aufsehen sorgte und einen erheblichen Beitrag dazu leistete, dass man dem damals jungen Amiga-Computer wahre Wundereigenschaften zusprach. Im Vortrag soll neben der Entstehungsgeschichte dieser Demo vor allem deren technische Umsetzung beleuchtet werden und welche Rolle dabei die hard- und softwarespezifischen Eigenschaften des Amigas spielten. Hierzu wird der Original-Code "seziert" und einzelne Fragmente werden separat betrachtet. Kai Scherrer (Kandel)
Wie ging das in den 1980er-Jahren eigentlich los mit den Demos, also den Programmen, deren Aufgabe es ist, schön auszusehen und gut zu klingen? Sven Oliver Moll packt seinen Commodore 64 aus und zeigt, wie die ersten digitalen Graffitis das Laufen lernten. Bis sie irgendwann erwachsen oder besser emanzipiert wurden. Von dort aus gibt es einen Sprung in die Jetzt-Zeit: Wie kann man sich die Szene heute vorstellen? Wo liegen die Herausforderungen? Und warum sind Parties das wichtigste überhaupt? Und ein paar handverlesene Demos gibt es auch noch zu sehen. Sven Oliver Moll (Hannover)